10.05.2004
Aktuelles
Geheime Streichliste
Analyse: Unternehmensberatung schlägt Fusion 27 freiwilliger Feuerwachen vor.
So titelt das Hamburger Abendblatt in einem Artikel von heute (10. Mai 2004)
Von Jana Gerlach, Barbara Hardinghaus
In den freiwilligen Feuerwehren in Hamburg herrscht Besorgnis und Unsicherheit. Die Unternehmensberatung Mummert Consulting schlägt nach einer von der Innenbehörde in Auftrag gegebenen Strukturanalyse der freiwilligen Feuerwehren vor: 27 der 87 Wehren können eingespart werden. Sie sollen allerdings nicht geschlossen, sondern zusammengelegt werden. „Es gibt Gründe, diese Überlegung ernst zu nehmen“, sagt Fritz Kay Bahlo, Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Eidelstedt. „Wir hatten der Analyse damals zugestimmt. Vereinbartes Ziel war, die Effizienz der Wehren dadurch zu stärken“, sagt Hermann Jonas, Landesbereichsführer der freiwilligen Feuerwehren.
Welche Wehren von den Zusammenlegungen betroffen sein könnten, stehe aber nicht fest, so Jonas, „zumindest sind wir darüber nicht informiert.“ In Feuerwehrkreisen kursiert jedoch eine geheime Streichliste, erste Namen kursieren. Darunter: Neuenfelde Nord und Süd, Alsterdorf, Groß Borstel, Fuhlsbüttel, Neuengamme und Altengamme. Oder Eidelstedt. „Die Feuerwehrleute sollen auf Wehren in Lurup, Stellingen und Schnelsen aufgeteilt werden“, sagt Horst Becker von der GAL-Fraktion in Eimsbüttel. Ist also doch schon bekannt, wer mit wem fusionieren soll? „Nein, und es gibt auch keine internen Namenslisten“, sagt Marco Haase (33), Sprecher der Innenbehörde.
Und woher stammen dann die genannten Wehren? Becker: „Wer das Mummert-Papier lesen kann, liest es ab.“ Auf einer Seite zeigt die Untersuchung eine Karte mit sämtlichen 87 Standorten ohne Neuwerk. Um sie herum sind in einem Radius von 2,4 Kilometern Kreise eingezeichnet. 2,4 Kilometer, das ist die von der Unternehmensberatung errechnete Strecke, die ein Löschfahrzeug im Ernstfall innerhalb der vorgeschriebenen fünf Minuten bei viel Verkehr zurücklegt. „Und wo die Überschneidungen deutlich sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch“, da sind sich die Feuerwehrleute einig. Jonas: „Es herrscht Verunsicherung.“ Laut Innenbehörde sollen frühestens ab Sommer Entscheidungen fallen.
„Das geht nicht schneller“, sagt Haase. „Derzeit wird die Untersuchung den Fraktionen, dem Innenausschuss und Deputationen vorgestellt. Sie sollen konstruktive Vorschläge machen.“ Gerhard Weisschnur, Leiter des Bereichs Katastrophenschutz in der Behörde für Inneres, beruhigt: „Ich gehe davon aus, dass es durch die von Innensenator Udo Nagel gewollte breite Beteiligung auch zu einer intensiven Prüfung der über die Brandbekämpfung hinausgehenden Aufgaben der freiwilligen Feuerwehr kommt.“ Dieses sei u. a. die gesellschaftliche Funktion, insbesondere die Jugendarbeit der freiwilligen Wehren. „Die historisch gewachsenen Wehren und ihre sozialen Aufgaben sind integraler Bestandteil in den Stadtteilen“, so Weisschnur. In diesem Zusammenhang sei der Behörde wichtig, dass erst am Ende dieses Prozesses entschieden wird und nicht vorher einzelne Prüffelder Anlass zu Spekulationen geben.
Das ist aber nun schon passiert. Viele Feuerwehrleute überlegen schon, ob sie auch bereit wären, für den benachbarten Standort zu arbeiten. „Die meisten identifizieren sich stark mit ihrem eigenen Stadtteil, und nur mit ihm. Die Wehren sind ortsgebundene, eigenständige Einheiten“, sagt Jonas. Freiwillige Feuwehr sei Institution. Sie fördert Jugendarbeit. Jonas befürchtet, dass viele der knapp 2500 freiwilligen Männer und Frauen dann den Dienst quittieren. Die Sicherheit sei nicht mehr gewährleistet. Notwendige Kräfte bei Katastrophen wie dem Elbe-Hochwasser in 2002 würden fehlen. Da haben die freiwilligen Feuerwehren zwischen 20 Uhr und 24 Uhr bis zu 800 Einsätze gehabt.
Und: In den Randbezirken sorgen die freiwilligen Wehren für die Erstversorung: „In Neuengamme sind sie jetzt in zwei Minuten am Einsatzort, nach einer Zusammenlegung mit Pech erst fast 20 Minuten später. Vielleicht zu spät für einen Herzinfarkt-Fall.“
erschienen am 10. Mai 2004 in Hamburg
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