21.07.2020
Aktuelles
Egal wie – es funktioniert
Die Corona-Pandemie geht auch an den 86 Freiwilligen Feuerwehren Hamburgs nicht spurlos vorbei. Karsten Dabelstein (Bereichsführer Vierlande) berichtet von seiner ganz persönlichen Erfahrung in den ersten drei Monaten der turbulenten Zeit.
Im Februar diesen Jahres läuft der Dienstbetrieb im Bereich noch völlig normal. Die Themenabarbeitung auf der Wehrführersitzung erfolgt wie gewohnt und Ende des Monats begrüße ich über sechzig Kameraden zum Treffen der Ehrenabteilung. Eine Veranstaltung, die heute – drei Monate später vom Format der Begegnung – ganz weit weg erscheint. Mit Beginn des dritten Monats im Jahr geht es dann Schlag auf Schlag. Die FEL wird in Dienst genommen. Die Bereichsführersitzung findet mit Abstand statt. Der von zwei Dekonwehren und mir seitens der Freiwilligen Feuerwehr begleitete Presseevent für die Interschutz wird abgesagt. Eine Wahl zum Wehrführervertreter kann gerade noch vor der offiziellen Ausrufung der Pandemie durch die Weltgesundheitsbehörde WHO am 11. März durchgeführt werden. Und dann geht es für alle Kräfte in die erste Phase in dem Umgang mit der Pandemie. Hygieneregeln erhalten eine neue Bedeutung. Der vertraute Handschlag zur Begrüßung oder Verabschiedung entfällt im persönlichen Umgang. Dienstlich sind die Auswirkungen vielschichtiger. Da gilt es Urlaubsrückkehrer aus besonders von der Pandemie betroffenen Regionen zu identifizieren und zu testen. Hier gibt es eine hohe Akzeptanz für die Vorbereitung und Durchführung der Maßnahme in den Wehren. Sechs von sieben Wehren aus meinem Bereich sorgen für die rettungsdienstliche Erstversorgung von Patienten in ihren Löschbezirken. Hier gilt es die Anordnungen der Fachbereiche zu verstehen, in die Mannschaft zu transportieren und an die fortlaufende Entwicklung anzupassen. Fragestellungen zum Umgang mit Verdachtsfällen oder zur Bereitstellung von Ausrüstung für den Eigenschutz werden zum Tagesgeschäft im Austausch mit der Landesbereichsführung und den Wehrführungen.
Die Sonderkomponente Dekontamination der Freiwilligen Feuerwehr Hamburg rückt stärker in den Fokus. Gemeinsam mit den fünf Einheiten treffe ich auf die Landesbereichsführung in Person von Harald Burghart und Johannes Engmann. Ergänzt um den Arbeitskreis Erkunder tauschen wir uns zu möglichen Einsatzlagen und deren Bewältigung aus.
Die zweite Phase im Umgang mit der Pandemie beginnt bei mir im Bereich am 20. März diesen Jahres. Das ist der Startschuss für eine wöchentliche Telefonkonferenz im Kreise der Wehrführer. Zuerst noch mit eigenen Bordmitteln organisiert, unterstützt Stabsleiter FF06 später mit Skype for Business. Das Format gewinnt schnell an Akzeptanz. Fragestellungen und Erfahrungsberichte können so in einem vertrauten Kreis ausgetauscht werden. Das Format entwickelt sich zu einer festen Institution und hält bis heute im 14-tägigen Rhythmus an. Es ist die ideale Ergänzung über die zuvor schon bestehende Infrastruktur von SyBOS und WhatsApp hinaus. So erfahre ich auch etwas über die Stimmungen in den Wehren aus erster Hand. Sich entwickelnde oder verändernde Anordnungen aus dem Landesbereich können er- und geklärt werden. Gleichzeitig gibt das Format Raum für neue Ideen. Zu Ostern wird einer Videobotschaft an alle Einsatzkräfte des Bereiches durch mich zugestimmt. Dieses Format hat das Potenzial, unabhängig von der Pandemie bei besonderen Ereignissen eingesetzt zu werden. Aktive Kommunikation mitten im Lockdown erfährt eine breite Zustimmung. Das alles kann den persönlichen Kontakt der Kameradinnen und Kameraden nicht ersetzen. Die Wehrführungen berichten mir, dass der Wunsch in den Wehren, sich zu sehen und zu erleben, wächst. Lockerungen durch die Landesbereichsführung im Mai kommen da gerade gelegen. Es zeigt mir sehr deutlich, dass das gemeinsame Erleben von Feuerwehr in der Gemeinschaft ein zentraler Wert der Freiwilligen Feuerwehr ist. Dieser Wert strahlt durch seine Einzigartigkeit und kann nicht angeordnet, sondern muss gemeinschaftlich gepflegt werden.
In meinen Beobachtungen sticht der Einsatzdienst gar nicht besonders hervor. Der läuft unverändert zuverlässig weiter. Hier mache ich allen Beteiligten das größte Kompliment. Die Leistungsfähigkeit der Wehren hat in keiner Zeit der Pandemie gelitten. Im Gegenteil. Wehrführungen berichten mir, dass Kameradinnen und Kameraden sich über das Maß von vor der Pandemie hinaus in Aufgaben einbringen. Das Bewusstsein, Teil einer besonderen und wichtigen Organisation zu sein, hat bei einzelnen Wehrmitgliedern zusätzliche Kräfte mobilisiert. Auch die neuen Formen der Ausrückorganisation sind erfolgreich getestet worden. Wehren entscheiden sich für feste Gruppen, Schichtbetrieb oder individuelle Lösungen. Egal wie, es funktioniert und das vielschichtig und ausnahmslos zuverlässig.
In der Phase drei der Pandemie wird mein Bereich als Teil der Freiwilligen Feuerwehr Hamburg die Lehren aus den Ereignissen ziehen. Für mich ist die Erkenntnis rund um die Wehrgemeinschaft sowie die Leistungsfähigkeit der Einheiten in schwierigsten Umständen zentral. Darüber hinaus beschäftigt mich vor allem die Organisation. Die Zusammenarbeit und der Austausch mit der Landesbereichsführung und den Bereichsführern habe ich insgesamt als robust und vertrauensvoll empfunden. Dieser Kreis ist an den Aufgaben gewachsen. Wie weit muss nach den Erfahrungen 2020 weiter geplant werden? Wie ist beispielsweise der Anteil an Wehrmitgliedern in systemrelevanten Berufen und welche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der FF wäre zu erwarten, wenn die Situation sich im April und Mai nicht entspannt hätte? Die Antwort umfasst vermutlich viele Unbekannte. Konkreter nachgearbeitet werden kann bei Themenstellungen innerhalb der Freiwilligen Feuerwehr bzw. Feuerwehr Hamburg. Dazu zähle ich den Bereich der Digitalisierung. Hier geht es nicht um „entweder – oder“ sondern um „sowohl – als auch“. Der Rahmen für Besprechungen ist auf optionale Onlineformate zu ergänzen. Digitale Ausbildungsangebote gehören in meiner Welt nach den Erfahrungen der vergangenen drei Monate zum Zukunftsstandard. Die Schaffung von digitaler Infrastruktur ist voranzutreiben. Jedes Mitglied hat einen Zugang zum FHHNet. Der aktuelle Stand ist da nicht ausreichend, um aktiv und umfassend zu kommunizieren und zu informieren. Auch die Schaffung von Informationen über die verlässliche Verfügbarkeit und Einsatzbereitschaft von Wehrmitgliedern hat einen neuen Stellenwert erhalten. Überlegungen in diesem Bereich sind zügig abzuschließen und anschließend umzusetzen. Hygienestandards haben ein neues Gewicht erhalten. Das bedeutet auch, dass Unterkünfte der Wehren angepasst oder neu geschaffen werden müssen. Bei all den Überlegungen ist immer auch das finanziell Machbare zu berücksichtigen. Dies gilt es einzufordern. Bei Themen und Abläufen, die wir selber gestalten können, sind wir gemeinschaftlich aufgefordert, diese zügig zu realisieren.
- [t.drux]